mauerEin Mann hatte eine Mauer. Die war ihm hinderlich. Da ging er los und kaufte einen Hammer. Wieder zu Hause, legte er den Hammer in eine Ecke. Morgen wollte er sich an die Arbeit machen. Dann ging er zu Bett. Am nächsten Morgen erwachte er. Er betrachtete den Hammer und die Mauer. Er hielt inne: Der Hammer und die Mauer. DER Hammer. DIE Mauer. Der Hammer: Ein archetypisches Werkzeug. Ein männliches Werkzeug. Ein gewalttätiges Werkzeug. Hämmern. Hauen. Schlagen. Männliche Aggression. Männliche Gewalt. Die Mauer: Eine sichere Grenze. Ein weibliches Bollwerk. Ein schützendes Bauwerk. Verteidigen. Umfangen. Behüten. Weibliche Einfriedung. Weibliche Abschirmung. Wollte er wirklich die Mauer mit dem Hammer bearbeiten, abreißen, zerstören? Und dabei ein Beispiel roher Gewalt, ja toxischer Männlichkeit abgeben? Andererseits: Reproduzierte er hier nicht überkommene Geschlechterstereotypen? Galt nicht ebenso und andererseits auch: Die abweisende Mauer. Die trennende Mauer. Die tödliche Mauer. Der praktische Hammer. Der gerechte Hammer. Der nützliche Hammer. Konnte der Hammer nicht auch achtsam geschwungen, weise gehandhabt, präzise eingesetzt werden? Verkörperte der Hammer nicht ebenso Konstruktion, Aufbau, Wachstum? Stand die Mauer nicht auch für Zurückweisung, Abgrenzung, Entwürdigung? Der Mann fragte sich: War er als Mann, als alter weißer Mann überhaupt in der Lage, die Sache zu durchdenken? Hatte er überhaupt das Recht, in dieser Sache ohne einordnende Begleitung aktiv zu werden? Der Mann beschloss, sich in einer gründlichen Analyse der Verhältnisse, von Geschlechterrollen und Stereotypen zu üben. In diversen Workshops zum Thema kritische Männlichkeit erkundete er, wie awareness aussehen konnte, die Männlichkeit und männlichen Werkzeuggebrauch kritisch in den Blick nahm. Er lernte Methoden kennen, um Sexismus sowohl auf einer systemischen Ebene als auch im handwerklichen Kontext aufzuzeigen und zu reflektieren. Die Vielfalt der Aspekte und Themen war ebenso überwältigend wie begeisternd. Bald fühlte er, dass er sein erworbenes Wissen nicht nur für sich behalten, sondern ab sofort auch in eigenen Workshops weitergeben musste.